Monatsarchiv: Januar 2013

Weshalb ist die Partnerschaft zwischen Bolivien und Deutschland wichtig? Was können wir von den Menschen in Bolivien lernen?

[:de]Liebe Marianne,

ich bedanke mich herzlich bei dir für diese Fragen, die mich selbst zum Nachdenken gebracht haben. Da ich die Auseinandersetzung mit diesen Fragen sehr interessant fand, möchte ich sie auch meinen Bloglesern nicht vorenthalten.

Hier also die Antwort:

– Es ist unglaublich bereichernd, andere Kulturen kennenzulerren.

– Man lernt, Anderssein zu akzeptieren.

– Auch bisher nicht bekannte Methoden können durchaus funktionieren:
Warum sollte die deutsche Methode besser sein, nur weil wir sie unser ganzes Leben lang angewand haben?

– Die eigene Welt wird dadurch bunter.

– In Bolivien ist der Zusammenhalt der Familie viel wichtiger als in Deutschland, das sind Werte, die wir mit der Zeit verlieren.

– In Bolivien werden sehr viele Traditionen gelebt, z.B. Feste, Tänze…, die in Deutschland durch den Fortschritt und das „Je internationaler, desto besser“-Gefühl total vernachlässigt werden und mit der Zeit verschwinden.

– In Bolivien ist es keine Schande, in – gesundem Masse (!) – stolz auf sein Land zu sein.

– Was mich immer total fasziniert: Es ist zwar alles echt chaotisch und meist auf den letzten Drücker geplant, aber es funktioniert doch im Endeffekt wieder (fast) alles.

– „Salir adelante“: Egal, in was für einer Situation man ist, es gibt immer einen Ausweg und man muss weiter nach vorne schauen.

– Die Gemeinschaft funktioniert wie eine gegenseitige Sozialversicherung: So ist es z.B. Brauch, bei Festen wie Hochzeiten, Taufen, Firmungen… Paten für alles zu haben. So gibt es bei Hochzeiten die Trauzeugen fürs Standesamt, die Trauzeugen für die kirchliche Trauung, die Ringpaten, die Strausspaten, die Tortenpaten… Alle Paten sind dann auch für die Rechnung (mit-)verantwortlich. Das gibt einem soziale Sicherheit, so dass man weiss, dass man immer mit der Hilfe anderer rechnen kann.

– In Bolivien herrscht nicht so eine Konsumgesellschaft wie in Deutschland, so dass Dinge viel mehr wertgeschätzt werden und z.B. Schuhe mehrmals repariert werden, bevor man sie wegwirft.

– Extreme Gastfreundschaft auch Fremden gegenüber, die bei Deutschen von Misstrauen beeinträchtigt ist.

– Zufriedenheit und Freude an Dingen, die in Deutschland schon längst normal sind… So ist zum Beispiel Schokolade ein Luxusartikel und die Freude umso grösser, wenn es mal was gibt.

– Ideenreichtum: Wer nur kaltes Wasser aus der Leitung bekommt, füllt es ab und stellt es ein paar Stunden in die Sonne, um warm duschen zu können.

– Kochen: In Bolivien wird unglaublich lecker und gesund gekocht und dass ohne – wie es in Deutschland immer öfter passiert – Fertigprodukte zu benutzen.

– Handarbeit: Was die Stickfrauen und andere bolivianische Frauen aus Wolle, Stoff und anderen Materialen zaubern, fasziniert mich immer wieder.

– Waschen: Die bolivianische Hausfrau ist nicht von einer Maschine anhängig und wäscht sogar den riesen Wäscheberg der Familie in kurzer Zeit. Da stehe ich mit meiner Wäsche immer nur staunend daneben und schäme mich schon fast dafür, so langsam zu waschen.

In diesem Jahr lerne ich sehr viele Dinge fürs Leben, die ich an der Uni nicht lernen würde und ich bereue meine Entscheidung in keinem Moment.

Herzliche Grüsse,

Corinna
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Artikel in „Weingarten im Blick“, Dezember 2012

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